Belästigung im öffentlichen Raum ist ein Verhalten, das unerwünscht ist, einen sexuellen Bezug hat oder einen Bezug auf das Geschlecht beziehungsweise die Geschlechtszugehörigkeit aufweist und das von der belästigten Person als solches empfunden wird und das sie in ihrer Würde verletzt. Belästigung besteht in unangebrachten Blicken oder Bemerkungen, aufdringlichem Verhalten, Beleidigungen und Beschimpfungen, Drohungen, Berührungen, Exhibitionismus oder auch Verletzungen der körperlichen und/oder sexuellen Integrität. Bei häufigem Vorkommen führen diese Verhaltensweisen dazu, dass die Zielpersonen – grossmehrheitlich Frauen und LGBTIQ-Personen – den öffentlichen Raum als feindlich und unsicher wahrnehmen. Belästigung ist ein Machtverhältnis, bei dem diese Personen die Leidtragenden sind.
Die in den letzten Jahren in Westschweizer Städten durchgeführten Studien (Lausanne, 2016, Freiburg, 2020) zeigen, dass etwa ¾ der Befragten im letzten Jahr irgendeine Form von Belästigung erlebt haben. Über die Schweizer Smartphone-App Eyesup wurden zwischen Juni 2020 und Juni 2022 insgesamt 945 Meldungen von Belästigung in der Öffentlichkeit gemacht. Man kann davon ausgehen, dass die Situation im Wallis vergleichbar ist, obschon bislang keine bezifferten Studien vorliegen.
Auf politischer Ebene wurden in den vergangenen fünf Jahren in den Räten der Städte Sitten, Martinach und Monthey mehrere Vorstösse zum Thema Belästigung eingereicht und angenommen. Auch im Grossen Rat kam es mehrfach zu Vorstössen. Insbesondere wurde im Jahr 2017 eine Interpellation eingereicht, um das Ausmass des Phänomens im Kanton eruieren zu lassen und um zu fragen, wie der Staatsrat gedenkt, gegen diese Problematik vorzugehen. Ein angenommenes Postulat forderte ebenfalls konkrete Massnahmen, um sexuelle Belästigung wirksam zu bekämpfen.
Das Departement für Gesundheit, Soziales und Kultur (DGSK) lanciert über das Kantonale Amt für Gleichstellung und Familie (KAGF) «geits-no.ch», die erste kantonale Sensibilisierungs- und Präventionskampagne zu Belästigung im öffentlichen Raum, die sich über die nächsten vier Jahre erstrecken wird. Mit der ersten Phase der Kampagne soll die Bevölkerung auf die Problematik aufmerksam gemacht werden. Man soll dazu gebracht werden, sein eigenes Verhalten zu hinterfragen, womit vor allem potenzielle Belästiger angesprochen werden. In dieser Phase sind eine Plakatkampagne im Regionalzug Brig-St- Gingolph und an den Tankstellen im ganzen Kanton sowie die Eröffnung eines Instagram- Accounts und die Lancierung der Website www.geits-no.ch geplant. Diese Website wird grundlegende Informationen (Definition, Gesetzesrahmen, Anlaufstellen für Opfer, bezeugende und belästigende Personen) sowie ein Quiz enthalten, mit dem bestimmt werden kann, ob das eigene Verhalten angemessen ist oder nicht.
Die zweite Phase wird im Herbst im Rahmen der Foire du Valais und in Zusammenarbeit mit der Stadt Martinach gestartet werden.
Danach und bis 2026 wird «geits-no.ch» mit einer jeweils spezifischen Anpassung insbesondere auf die Grossveranstaltungen im Kanton (Fasnacht, Festivals, Bälle usw.) ausgerichtet sein. Das Projekt wird sich stetig weiterentwickeln und an das Interesse und die Reaktionen, die es hervorrufen wird, angepasst werden. Dabei werden Partnerschaften mit den Gemeinden angestrebt. Bislang wird die Kampagne von der Kantonspolizei unterstützt, die sie auf ihren sozialen Netzwerken verbreiten wird.
«geits-no.ch» fügt sich in eine Reihe von Aktionen des KAGF zur Bekämpfung von Belästigung, unter anderem in Form von Workshops, Informationstagen, Rundtischgesprächen und Dokumentationsmaterial für Unternehmen. Diese verschiedenen Aktionen, die auf Sensibilisierung, Schulung und die Förderung der Gleichstellung ausgerichtet sind, tragen dazu bei, eine egalitäre Auffassung der Beziehungen zwischen Männern und Frauen zu verbreiten. Das wird letzten Endes dazu beitragen, Belästigung in all ihren Formen auszumerzen.
Die Unterwalliser Vereinigung AVAH setzt sich mit der Unterstützung des KAGF schon seit 2021 gegen Belästigung ein. Die AVAH promotet eine Charta gegen Belästigung, die bislang von 19 Unterzeichnern angenommen wurde. Die Verantwortlichen von Cafés, Restaurants, Bars, Diskotheken und Clubs sowie die Organisatorinnen und Organisatoren von Festivals, Messen, Dorffesten und anderen ähnlichen Veranstaltungen verpflichten sich mit der Unterzeichnung dieser Charta, gegen Belästigung vorzugehen, indem sie in ihren Betrieben und/oder bei ihren Veranstaltungen Zuvorkommenheit, Respekt und Geselligkeit fördern und gewährleisten. Sie verpflichten sich dazu, die nötigen Massnahmen zu ergreifen, um für ihre Gäste und ihr Personal einen respektvollen und einladenden Rahmen zu schaffen und zu erhalten.