3. Jugendliche – Konflikte und Erlittener Druck

Die Pubertät ist ein entscheidender Moment bei der Identitätsbildung von jungen Erwachsenen.

Die Pubertät, mit all ihren Fragen zu Sexualität, Liebesbeziehungen und Berufswahl, ist ein entscheidender Moment bei der Identitätsbildung von jungen Erwachsenen. Widerstand gegen die Eltern ist im Verlauf dieses Prozesses bekanntlich nichts Aussergewöhnliches. Im Diasporakontext können sich diese Konflikte allerdings verschärfen und die Jugendlichen manchmal dazu zwingen, sich zwischen Loyalität und Bruch entscheiden zu müssen.

Loyalitätskonflikte

Weil Jugendliche oftmals emotional oder finanziell von ihren Familien abhängig sind, stehen sie im Loyalitätskonflikt, wenn sie in Bezug auf ihr Liebesleben unter Druck gesetzt werden. Es kommt vor, dass sie sehr zwiespältige Gefühle hegen und selbst nicht mehr wissen, was sie eigentlich wollen. Die Situation dieser Jugendlichen kann durch verschiedene Faktoren erschwert werden:

  • Manchmal findet zwischen Kindern und Eltern kein Dialog statt. Das Thema Liebesleben wird nicht angesprochen. Diese Kommunikationsschwierigkeiten können verstärkt werden, wenn die Kinder die Sprache ihrer Eltern nicht gut sprechen oder wenn die Eltern die Sprache des Ortes, an dem sie leben, nicht beherrschen.Die emotionalen Bindungen der Jugendlichen zu ihren Eltern können sehr stark sein. Die grosse Mehrheit der Jugendlichen will nicht, dass es zum Bruch mit der Familie kommt. Viele waren noch nie auf sich allein gestellt und fürchten sich davor.
  •  Die Jugendlichen fürchten, dass ein Aufsuchen externer Hilfe für ihre Familie auf strafrechtlicher oder ausländerrechtlicher Ebene negative Folgen haben könnte, was zu einem Verlust der Aufenthaltsbewilligung führen könnte.

Formen von Druck und Zwang

Jugendliche, die durch eine Zwangsheirat bedroht sind, werden stark unter Druck gesetzt. Manchmal werden sie von Familienmitgliedern, vor allem von ihren Geschwistern, intensiv kontrolliert. Sie werden beispielsweise bis zur Schule oder zum Arbeitsplatz begleitet, werden überwacht, ausspioniert, sozial isoliert, ja sogar eingesperrt. Junge Männer haben im Vergleich zu jungen Frauen zwar oft etwas mehr Spielraum, aber auch sie können von derartigen Kontrollmechanismen betroffen sein.

Häufig kommt es zu emotionaler Erpressung. Vor allem die Mütter tendieren in solchen Situationen dazu, Drohungen auszusprechen wie: «Ich bringe mich um, wenn du ihn/sie nicht heiratest…» oder «Du brichst mir das Herz, wenn…». Psychische Gewalt, Androhung körperlicher Gewalt, Todesdrohungen oder gar tätliche Angriffe sind andere häufige Formen von Druck. Manchmal wird jemand auch erpresst, indem ihm nichts zu essen gegeben oder der Zugang zu medizinischer Versorgung verweigert wird. Die Loyalitätskonflikte und der erlittene Druck können dazu führen, dass diese jungen Menschen nachgeben und gegen ihren Willen einen Partner oder eine Partnerin akzeptieren – in der Hoffnung, so im Frieden gelassen zu werden und sich irgendwann an die Situation zu gewöhnen.

Bei der Fachstelle Zwangsheirat gehen viele Anfragen von Betroffenen ein, die dem Druck ihres Umfelds nachgegeben haben. Die NGO warnt jedoch: Wer nachgibt, unterschätzt oft, was es im Alltag bedeutet, mit jemandem verheiratet zu sein, den man gar nicht wollte.

Veröffentlicht am 4. July 2022

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